Manchmal rennen wir und rennen wir und kommen doch nicht an. Es ist uns vielleicht auch gar nicht klar, wo wir hin wollen. Wir spüren nur den Drang, immer weiter zu rennen. Bis plötzlich nichts mehr geht, bis wir erkennen, dass es keinen Sinn macht. Bis sich unser Gewissen meldet und zum Überdenken mancher Gewohnheiten aufruft.
Kürzlich habe ich eine Geschichte gelesen.
Darin ging es um eine Raupe, die den Impuls verspürte, nach oben zu kommen. Sie sah einen großen Berg, der aus vielen anderen Raupen bestand und der bis in die Wolken hoch ragte. Seinem Impuls folgend kletterte die gestreifte Raupe hinauf. Er kletterte und kletterte und fragte sich doch unentwegt, wo es denn hier überhaupt hingeht.
Auf seinem Weg nach oben erkannte die Raupe, dass es darum ging selbst zu klettern oder überklettert zu werden. Alle waren in Eile. Keiner achtete auf den anderen, keiner sprach mit ihm. Und so verdrängte die gestreifte Raupe ihre inneren Fragen, ihren Widerstand und kletterte auch stur nach oben.
„Was ist denn dort oben?“ hörte die gestreifte Raupe eines Tages eine Stimme aus der Menge. Mit starrem Blick in eben jene Richtung erwiderte er sehr streng, dass er keine Ahnung habe und es auch egal sei. Die Fragerei helfe nichts, die Hauptsache sei, man komme nach oben.
Empört sah die gestreifte Raupe in das Gesicht einer gelben Raupe. Zurückerinnert an sein eigenes Fragen am Anfang kamen sie ins Gespräch. Die gestreifte Raupe hielt inne und ihr wurde klar, dass sie einfach in den Trott mit eingestiegen war.
Gemeinsam überlegten sie, warum alle so gierig darauf waren, an die Spitze zu kommen? Sie fragten noch andere Raupen, doch keine hatte Zeit. Keine Zeit zum Nachdenken, keine Zeit zum Hinterfragen. Sie waren alle so sehr damit beschäftigt, nach oben zu klettern, immer höher, immer weiter. Und keine andere Raupe konnte sagen, was dort oben ist. Nur eines war klar, alle wollten dahin. …
***
Diese Geschichte hat mich an unsere heutige Zeit erinnert. Alle rennen einem Ziel hinterher, alle wollen höher kommen, doch keiner weiß wohin uns das führt.
Es gibt keine Zeit mehr, um miteinander zu reden.
Unsere Gesellschaft ist oberflächlich geworden. Wir fragen, wie es geht, aber interessieren uns nicht mehr für die Antwort. Wir machen Termine und verabreden uns, um beschäftigt zu sein. Wir lesen keine Bücher mehr, sondern dröhnen uns jeden Abend mit belangloser Unterhaltung aus dem schlauen TV-Gerät zu.
In der Arbeit akzeptieren wir einen rauen Umgangston. Wir ertragen Dinge innerlich missmutig, um unserem Ziel nicht selbst im Wege zu stehen. Mehrarbeit, Überstunden, nur noch schnell dies und nur noch schnell das. Wir lassen uns von Vorgesetzten belehren, auch wenn sich innerlich alles sträubt. Wir geben unser eigenes Denken auf und folgen der Herde.
Und wofür das alles? Ja, stimmt, da war doch was. Wir wollen nach oben kommen. Das macht man nämlich so. Das macht jeder. Da fragt man nicht groß. Das ist halt so.
Und die Geschichte ging weiter, ich will es dir nicht vorenthalten:
***
Die beiden Raupen sahen sich, auf dem Berg aus anderen Raupen sitzend, das Geschehen an. Sie stellten fest, dass sie weder unten noch oben waren. Also mussten Sie in der Mitte sitzen. Daher gab es für beide nur einen Weg, den nach oben. Und so kam es, dass die gestreifte Raupe über die gelbe Raupe klettern musste, um den Weg nach oben fortzusetzen. Und so tat er es, er trat auf die gelbe Raupe, um weiter nach oben zu kommen.
Doch dies versetzte ihm einen Stich im Herzen. Er fühlte sich schlecht, richtig schlecht. Er hatte die gelbe Raupe „übergangen“, um nach oben zu kommen. Dabei war die gelbe Raupe die einzige, mit der er reden konnte. Er konnte nicht anders und entschuldigte sich bei ihr.
“I didn’t know how badly I felt about this life until now. Now when you look at me so kindly, I know for sure I don’t like this life. I just want to do something like crawl with you and nibble grass.”
Sie entschieden sich, die Reise nach oben aufzugeben. Sie wollten nicht mehr etwas hinterherlaufen, bei dem sie nicht wussten, wieso und weshalb…
***
Öffnen wir uns für den Mut
Das war mutig von den beiden. Sie kehrten um. Alle anderen, tausende von Raupen, waren auf dem Weg nach oben und die beiden kehrten um. Sie rollten sich zusammen, um niemandem weh zu tun und rollten ganz nach unten.
Irgendwann geht es nicht mehr. Wir stehen morgens auf und können nicht mehr. Vielleicht können wir nicht einmal mehr aufstehen. Von einem Tag auf den anderen ist uns alles zu viel. Viel zu viel. Wir sind blockiert, nichts geht mehr.
Genau das hab ich selbst erlebt. Ich hab mir jahrelang erzählt, dass alles gut ist, so wie es ist. Ich hab ignoriert, dass es mir nicht gut ging. Es gab ja immerhin gute Tage. Ständig sagte ich mir, so schlimm ist das doch alles nicht. Ich verdiene regelmäßig mein Geld, ich hab das studiert, also geh ich diesen Weg. Und außerdem, was soll ich denn sonst machen? Ich kann ja nichts anderes!
Oh ja, was sollen wir sonst machen? Wo soll es mit uns hingehen?
Auch hier gibt uns die Geschichte eine spannende Antwort.
***
Die beiden Raupen lebten eine Zeit lang glücklich zusammen. Sie aßen viel Gras, sie spielten miteinander und sie waren glücklich, sich gegenseitig gefunden zu haben.
Doch die gestreifte Raupe hörte nicht auf, auf den großen Raupenberg zu blicken. Immer noch fragte er sich, was denn da oben sei. Er hatte das Gefühl, dass es mehr im Leben geben muss, als das was er täglich erlebte.
Und so trennte er sich schweren Herzens von der gelben Raupe, die nicht mitgehen wollte, und machte sich abermals auf den Weg nach oben. Nun, da er sich gestärkt hatte, war sein Plan ganz an die Spitze zu kommen, das Geheimnis zu lüften und es dann der gelben Raupe zu erzählen.
Diese blieb traurig zurück und streifte durchs Land.
Nach einiger Zeit traf die gelbe Raupe eine alte graue Raupe, die an einem Ast hing und in seltsamen haarigen Fäden verwickelt zu sein schien. So bot die gelbe Raupe ihre Hilfe an. Doch die graue Raupe erwiderte nur: „Ich habe dies zu tun, um ein Schmetterling zu werden!“
Da war die gelbe Raupe ganz verunsichert. Sie wusste nicht, was ein Schmetterling ist, sie wusste nicht, was hier vor sich ging. Und so kam es zu einem wunderbaren Gespräch mit der alten grauen Raupe. Er erzählte ihr, dass es die Bestimmung der Raupen sei, zu wunderschönen Schmetterlingen zu transformieren. Und den Nektar der Blumen zu trinken, damit die Blumen überleben können.
***
Das Zauberwort heißt Vertrauen
Mit uns Menschen ist es auch ein bisschen so. Wir wissen nicht, was unsere Bestimmung ist. Wir laufen auf den ausgetretenen Wegen, um an einem Punkt festzustellen, dass dies irgendwie nicht unser Weg ist. Auch wenn viele vor uns ihn gegangen sind.
Und so dürfen auch wir uns auf die Suche nach unserer Bestimmung machen. In uns steckt viel mehr, als wir gesagt bekommen. In uns steckt ebenso ein wundervoller Schmetterling.
Doch wie wird die Raupe zum Schmetterling? Wie können wir glauben, dass wir tief in uns ein Schmetterling sind?
Die Antwort liegt im Vertrauen. Ja, wir dürfen vertrauen. Und obendrein müssen wir das Neue so sehr wollen, dass wir bereit sind, dafür zu sterben. Also nicht wirklich physisch sterben, sondern wir dürfen loslassen. Alte Muster, alte Glaubenssätze, alte Erfahrungen. Und dankbar sein. Denn ohne den bisherigen Weg, wären wir nicht hier, wo wir jetzt sind.
Genau wie die gelbe Raupe. Sie hing sich mutig mit an den Ast und fing an, sich zu verpuppen. Zu Ihrer Verwunderung gelang ihr das auch einfach so.
Wenn wir uns selbst vertrauen, können wir mehr.
So wie die Raupe, können auch wir innerlich spüren, wenn wir auf dem richtigen Weg sind. Wir können wieder lernen zu spüren, was gut für uns ist. Unsere Gefühle dürfen sich wieder entwickeln. Wir dürfen uns verpuppen und vorbereiten.
Und aus der gelben Raupe wurde ein wunderschöner gelber Schmetterling. Die Raupe hatte sich auf den Weg gemacht, sie hatte das ihr bislang Unmögliche gewagt und sie hat vertraut. Vertraut in den Prozess, vertraut in sich selbst. Sie hat gespürt, dass da noch mehr ist. Ihr UrWille ist erwacht und hat ihr gezeigt, was Ihre Bestimmung ist.
***
Wir sind nicht allein auf dem Weg
Der wunderschöne gelbe Schmetterling hatte seinen Freund nicht vergessen. Und sie machte sich auf die Suche und fand ihn an der Spitze des Raupenberges. Die gestreifte Raupe war hin und weg von dieser lichten gelben Gestalt, die er sah. Doch er erkannte seine Freundin an den Augen wieder. Daraufhin machte er sich auf den Rückweg und lies sein altes Leben auf dem Raupenberg hinter sich.
“We can fly! “We can become butterflies! “There’s nothing at the top and it doesn’t matter!”
Jedem auf seinem Weg erzählte er, dass dort oben nichts sei! Doch niemand wollte ihn anhören. Sie verspotteten ihn, sie verleugneten, dass er jemals an der Spitze war und beachteten ihn nicht
weiter.
Die gestreifte Raupe spürte in sich, dass es etwas anderes gibt. Etwas weitaus Größeres. Er hatte es gesehen, auch wenn er es nicht glauben konnte. Das war also sein Impuls nach „oben“.
Der gelbe Schmetterling zeigte ihm den Weg und die gestreifte Raupe folgte ihrem inneren UrWillen und begann vertrauensvoll sich zu verpuppen.
“He felt he had to let go of everything…”
***
Wir sind also mehr als es auf dem ersten Blick scheint. Wir können viel mehr erreichen, wenn wir nach Innen schauen, statt im Außen zu suchen.
Die Geschichte hat mich nachdenklich gestimmt, vor allem wenn man bedenkt, dass Sie bereits 1972 geschrieben wurde. Sind wir wirklich so blind für unser inliegendes Potential?
Doch wie sollen wir es auch erkennen. Wir sind aufgewachsen in einer Zeit, in der es uns im Außen immer gut ging.
Die Zeiten unserer Vorfahren waren geprägt vom täglichen Kampf ums Essen und zum Teil sogar ums eigene Leben. Die Zeit des Wirtschaftswunders hat dann Arbeit gebracht und Wohlstand. Und so ist
das Streben nach Wohlstand im Außen auch verständlich. Damit konnten unsere Vorfahren ihren Lebensunterhalt sichern, es war dafür gesorgt, dass die Kinder etwas zu essen und Klamotten bekamen.
Doch wir haben eine „Grenze“ überschritten. Das Streben nach Mehr hörte nicht mehr auf, fand kein Ende mehr. Und es ging immer weiter auf die nächsten Generationen über.
Doch ich habe Hoffnung. Denn die Zeit, in der wir momentan leben ist vom Wandel geprägt. So wie in der Geschichte, wachen immer mehr Menschen auf und schälen sich aus ihrem Raupen-Dasein. Sie wollen nicht länger wie die Lemminge etwas hinterherlaufen, das ihnen keinen Sinn verleiht.
Das Bewußtsein für unser Leben, für unsere Erde und unseren Umgang mit den Ressourcen nimmt zu. Menschen bleiben stehen, nehmen sich eine Auszeit und gehen gewissenhaft mit ihrer Umwelt um. Und genau das brauchen wir, damit diese Erde wieder ins Gleichgewicht kommt. Kein Extrem ist gut und kein Extrem führt zu innerer Zufriedenheit.
Wir dürfen der Erde wieder näher kommen und die Bedürfnisse der Erde wahrnehmen. Wir dürfen mit ihr in ein neues Zeitalter schweben, in der Menschen wieder ihre Mitte finden und so leben können, wie sie eben sind.
Wenn jeder nach seinem Potential lebt, dann gibt es keinen Neid mehr, keine Kämpfe und keine Misshandlungen. Wenn jeder bei sich beginnt, dann haben wir eine echte Chance zur Verwandlung. Wenn immer mehr Schmetterlinge schlüpfen, dann gibt es wieder Hoffnung. Hoffnung für die Erde und Hoffnung für die Blumen. Damit wir umringt sind von der Schönheit, im Innen und im Außen.
Und daher ist es wichtig, dass wir alle uns bewegen. Dass wir auf uns hören, die Signale wahrnehmen – von Körper und Geist. Dabei unterstütze ich dich gerne. Nach Innen hören, unsere Quelle im Innen zum Sprudeln bringen und den UrWillen wieder erwecken. Wie hört sich das für dich an?
***
Die Geschichte wurde von mir in eigenen Worten zusammengefasst, basierend auf dem Buch HOPE FOR THE FLOWERS von Trina Paulos aus dem Jahr 1972. Wenn du das gesamte Buch (in englischer Sprache) lesen möchtest, hilft dir Google beim Finden :-).
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Anja (Freitag, 26 Januar 2018 22:39)
Soooo, genial � danke dir dafür �